Le Prince

Liebe, postkolonial

Lisa Bierwirth fragt in ihrem Filmdebüt »Le Prince« nach Augenhöhe innerhalb von Machtverhältnissen

Monika ist Ende 40 und viel beschäftigte Kuratorin in einer bedeutenden Kunstinstitution in Frankfurt (Main), kinderlos und unverheiratet, womit sie das Klischee der westdeutschen Karrierefrau vollumfänglich bedient. Joseph hingegen, der gut aussehende Kongolese mit Aufenthaltsgestattung (was für ein Wort!), erscheint wie das idealtypische Abbild eines »Wirtschaftsflüchtlings«, der irgendwas mit Import-Export und Diamanten macht und dabei die Grenzen der Legalität regelmäßig streift. Als die beiden sich begegnen und ineinander verlieben, manifestieren sich alle Vorurteile, die angesichts einer solchen Verbindung abrufbar bereitstehen, und das sowohl bei Monikas Umfeld in Frankfurts großbürgerlicher Kunstschickeria als auch beim Zuschauer, der gezwungen ist, die eigenen Vorbehalte und Reflexe zu hinterfragen.


Dass eine solche Verbindung nicht gut gehen kann, scheint festzustehen, zu unterschiedlich sind die Wertesysteme und Lebenswelten – hier die einigermaßen situierte, um den nächsten Karriereschritt besorgte, aber emotional defizitäre Kulturmanagerin, dort der Underdog, dessen Existenz ein permanenter Überlebenskampf ist und der sich doch seinen Stolz bewahrt hat. »Ich brauche nicht deine Hilfe, ich brauche deinen Respekt!«, ruft er Monika zu. »Le Prince« ist auch eine Geschichte von Asymmetrien und von Machtverhältnissen und verhandelt die Frage, ob sich zwei Menschen in diesem postkolonialen Kontext überhaupt auf Augenhöhe begegnen und lieben können.


Nun ist die Geschichte von der Liebe, die sich gegen alle äußeren Widerstände und gesellschaftlichen Konventionen behauptet, eines der ältesten Motive, aus denen heraus Kunst entsteht; Lisa Bierwirths Filmdebüt ragt aus dieser langen Reihe jedoch durchaus heraus, weil es aktuelle Diskurse mit einer sehr lebensnahen Figurenzeichnung verbindet.
Es ist im deutschen Film leider immer noch selten, dass authentische Figuren aus prekären und/oder randständigen Milieus ihren Weg auf die Leinwand finden – die mangelnde Diversität im deutschen Film ist erst Anfang dieses Jahres in einem Manifest der Initiative #actout beklagt worden. Es scheint indes kein Zufall, dass »Le Prince« von Komplizen Film produziert wurde, der Firma, die auch Maren Ades »Toni Erdmann« oder Valeska Grisebachs »Western« verantwortet hat – alles Filme, die ein Wagnis eingehen und nach authentischen Erzählweisen suchen.


Letztlich ist die Liebe zwischen Monika und Joseph tatsächlich zum Scheitern verurteilt, vorhersehbar ist jedoch nichts in diesem Film. Bierwirth und Drehbuchautor Hannes Held gelingt es meisterhaft, mit den Erwartungen und Vorurteilen der Zuschauer zu spielen und sie umzukehren – am Ende ist nichts so, wie es scheint in dieser schnörkellos und geradlinig erzählten Geschichte. Nicht zuletzt bietet »Le Prince« einen eindrucksvollen Einblick in die Parallelwelt der afrikanischen Diaspora in Deutschland, ein Milieu, das fremd ist und doch zeigt, wie das Fremde die eigene Lebenswelt bereichern kann, wenn man sich darauf einlässt.


»Le Prince«: Deutschland 2021. Regie: Lisa Bierwirth, Buch: Hannes Held, Lisa Bierwirth. Mit: Ursula Strauss, Passi Balende, Alex Brendemühl, Victoria Trauttmansdorff, Hanns Zischler. 125 Min. Start: 30. September.

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